Hemispheres – Über die dystopisch-utopische Reise eines Buddhisten

banner_001Mit Hemispheres läuft derzeit ein sehr interessantes Graphic Novel Projekt auf der Crowdfunding-Plattform Startnext. Noch bis Anfang kommender Woche kann man die beiden Macher hinter dem Projekt unterstützen und am Samstag gibt es die Möglichkeit Live die Arbeit am Projekt zu verfolgen.

Christopher De la Garza und Sascha Grusche arbeiten inzwischen seit zwei Jahren an dem Projekt und nach intensiver Vorarbeit entstehen nun mehr und mehr fertige Seiten ihres Hemispheres getauften Projekts.
Morgen kann man in Potsdam bei Stadt für eine Nacht die beiden Macher persönlich treffen und Sascha Grusche dabei zusehen, wie er live an den Seiten weiterzeichnet. Höchste Zeit für ein kleines Interview um letzte Fragen für alle interessierte am Projekt zu klären.

 

Rückblickend auf die zwei Jahre Arbeit die bisher in das Projekt geflossen ist; wie fühlt man sich dabei? Stolz auf das erreichte oder kriegt man doch ein bisschen Angst vor der Größe die das ganze angenommen hat?

SG: Wenn ich so zurückblicke, dann macht mir diese relativ lange Zeit bewusst, wie viel Arbeit schon in dem Werk steckt. Angst habe ich keine, stattdessen freue ich mich darauf, die letzten fehlenden Seiten fertig zu stellen.

Der Protagonist ist ein buddhistischer Mönch. Wie viel Recherche war für dieses Thema nötig und ist es heutzutage durch populäre Filme und Bücher wie „Sieben Jahre in Tibet“, „Little Buddha“ und andere leichter oder schwerer geworden den Leser an eine buddhistische Hauptfigur heranzuführen?

SG: Ich kenne diese Kinofilme gar nicht. Mit Chris habe ich mich bisher eher auf authentische Quellen berufen. Wir waren sogar bei buddhistischen Meditationen und Vorträgen. Wir mussten aber auch feststellen, dass selbst der Buddhismus stark in verschiedene Schulen verzweigt ist. Wir haben uns eine buddhistische Schule rausgesucht, welche unserem Plot am ehesten entspricht und visuell einiges zu bieten hat.

CG: Durch einen Tipp bin ich dann auch auf ein buddhistisches Kloster in der Gegend aufmerksam geworden, nämlich in Päwesin, wo 30 buddhistische Mönche und Nonnen leben, meditieren und diesen Lebensweg praktizieren.

SG: Als ich 16 war, habe ich mir mal ein Buch geholt über die Verbindung zwischen Zen-Buddhismus und Physik. Auf dieser Ebene hatte ich also schon das grundlegende Denken der Buddhisten nachvollzogen, mich damit identifiziert. Daher hatte ich auch die Idee, den Plot von Chris um eine Dimension zu erweitern, indem wir einen buddhistischen Mönch in die dystopische Welt ziehen.

 

Wie habt ihr die soziale Struktur eurer Welt entwickelt? War eine bestimmte Katastrophe oder Ereignis ein Auslöser für einen Wandel, oder soll es eher eine Weiterentwicklung der bestehenden Welt zeigen?

SG: Die Gesellschaft, die wir schildern, ist eine Projektion der bestehenden Gesellschaft in die Zukunft. Bei der Konstruktion unserer fiktiven Gesellschaft haben wir uns auch ein konkretes Wertesystem überlegt und wie sich dieses äußerlich, z.B. in der Architektur, widerspiegelt. Denn unsere Gesellschaft wird nicht mehr durch Werte wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft geprägt, sondern durch rationales, effektives Vorgehen im Alltag, wo jeder nur für sich kämpft.

CG: Bedeutet auch, dass wir keine fliegenden Objekte oder Technologien in die Geschichte bringen, nur, weil wir sie „cool“ finden …

SG: Keine Science Fiction, sondern Science Faction…

CG: .. dass wir Zeitungsartikel, TEDTalks, Zukunftsforschung, eigene Erfindungen, Ideen in die Recherche bringen mit Blick auf die Frage: Welche Technologien werden jetzt entwickelt, welche Dinge stecken in den Kinderschuhen und in den Laboren, die jeder in 15 Jahren nutzen wird, höchstwahrscheinlich. Darüberhinaus greifen wir aktuelle Themen auf, wie Monsanto, ACTA, Genfood, generell steigende Preise und die damit verbundenen Lebenserhaltungskosten, Demonstrationen und Dinge, wo die Gesellschaften der Welt nicht die Ursache der Probleme angehen, sondern nur die Symptome.

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Euer Team besteht aus zwei bzw. drei Personen und dazu habt ihr über die Zeit diverse Veranstaltungen, oft in Zusammenarbeit und mit Unterstützung anderer Leute und Organisationen abgehalten. Daneben hat jeder von euch noch sein Studium. Wie organisiert man so etwas, ohne die Übersicht und die Prioritäten außer Acht zu lassen?

SG: Wir mussten feststellen im Dreier-Team, dass es dann doch schnell zu komplex wird; und im Feedback mit unseren Ausstellungsbesuchern merkten wir, dass das von der Texterin angedachte multilinguale Konzept nicht geeignet ist. So sind wir nun wieder zu zweit im Team. Es ist natürlich eine Menge Arbeit zu tun: Neben meinem Referendariat und meiner Arbeit an einem wissenschaftlichen Artikel versuche ich noch die Graphic Novel umzusetzen. Ich versuche da ein Gleichgewicht zu finden. Dabei treiben mich auch der eigene Ehrgeiz an und die eigene Ungeduld, das fertige Produkt sehen zu wollen.

CG: Hinter unserem Kernteam gibt es viele Unterstützer, die z.B. den Videoschnitt, die Komposition von Musik, die Animation von Bildern übernehmen. Photographen, Filmleute. Dann gibt es Unterstützer, die das Sponsoring übernehmen, seien es Material-, Medien- oder Netzwerkpartner, die gewisse technische Dinge für uns übernehmen. So können wir uns dann einfach auf das Hauptwerk konzentrieren.

 

Auf eurer Projektseite habt ihr diverse Einblicke in eure Arbeit gegeben und unter anderem auch erzählt, dass ihr zuerst noch gar keine Berührungen mit Comics bzw. Graphic Novels hattet. Gibt es bestimmte grafische oder erzählerische Vorbilder die euch bei der Arbeit besonders prägen?

SG: Wir wollen uns nicht zu sehr von existierenden Graphic Novels beeinflussen lassen, sondern unsere innere Vision auf das Papier bringen. Im Comic setze ich aber oftmals Inspirationen von anderen Künstlern um. Beispielsweise haben wir uns bei einer Seite an dem Gemälde von Arnold Böcklin’s „Toteninsel“ orientiert und haben auch ein anamorphes Bildelement von Holbein integriert. Darüberhinaus habe ich viele realistische und photorealistische Künstler als Vorbild, z.B. Ilja Repin oder Adolf Menzel.

CG: Meine Mutter ist Grafikerin, mein Vater kommt aus dem Film, und ich bin Mediengestalter für Bild und Ton. Als totalen Filmliebhaber und Cineast interessieren mich Drehbücher, Scripte, Storyboards, filmischer Aufbau, Dramaturgie, Symbolik und Ikonographie, wobei eigentlich die Graphic Novel das bessere Storyboard ist. Weil man noch mal ganz andere Formen und Inhalte miteinander verbinden kann. Ausbrechen kann aus gewohnten Strukturen und eine Fülle mehr an Möglichkeiten hat. Literatur, 1984, Schöne neue Welt – aber auch Filme wie Dark City, Matrix, Clockwork Orange, Fight Club oder die Arbeiten der Regisseure Aronofsky, Coen-Brüder, Tarantino inspirieren mich sehr.

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Wie kann man sich die multilinguale Gestaltung vorstellen?

SG: Die multilinguale Gestaltung war so vorgesehen, dass selbst die Sprachen, die wir auf einer Seite verwenden, die Gesamtstimmung noch unterstreichen und Anspielungen auf berühmte literarische Werke machen sollten. Punktuell werden wir so ein multilinguales Konzept wahrscheinlich umsetzen, aber eben nur wo es realistisch der Situation entsprechen würde. An anderen Stellen werden wir wohl darauf verzichten müssen, z.B. auf der Seite mit dem Motiv der „Reflexion“, wo ich die Idee hatte, Leonardo da Vinci’s Spiegelschrift zu imitieren. Im Austausch mit unseren Ausstellungsbesuchern haben wir gemerkt, dass das einfach über die Köpfe der Leser hinweggehen würde und deswegen haben wir uns geeinigt, weitestgehend einsprachig zu bleiben.

Vielen Dank für das Interview.

Alle Bilder die hier zu sehen sind, sind mit der Hand gezeichnet. Es wurden keine Motive digital am Rechner eingefügt. Auch dieser handwerklich solide Aspekt zeichnet Hemisphere schon jetzt als eines der aktuell interessantesten Comicprojekte aus. Auf ihrer Projektseite kann man den Fortgang des Projekts verfolgen und diverse Interviews sowie Work-In-Prograss-Bilder begutachten. Das Projekt läuft noch drei Tage und es fehlen nur noch 13% bis zur Finanzierung. Für alle Unterstützer gibt es auf der Webseite eine ganze Reihe an Belohnungen, von Taschen bis zum fertigen Buch und natürlich diverse Goodies wie Sticker, Medien-Kits etc.

Man sollte sich das Projekt auf jeden Fall ansehen und als Comic-affiner Leser erst recht eine Unterstützung in Betracht ziehen. Gerade im deutschsprachigen Raum gibt es diesbezüglich noch viel zu viele Wände und Skepsis die es zu überwinden gilt. Hemispheres könnte nach Joscha Sauers Trickfilmprojekt der nächste große Beitrag in diese Richtung werden.

 


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