Flix – Don Quijote

Da liegt er nun, Flix zweite Adaption einer literarischen Vorlage, nachdem vor zwei Jahren seine neue Überarbeitung von Goethe’s Faust erschien. Neben der F.A.Z. wurde der Comic dieses mal auch im Märkischen Volksfreund veröffentlicht, ehe Carlsen das ganze Werk erneut in ein solides Hardcover verpackte.
Man fragt sich schon, was man davon erwarten darf. Kann der gestandene Mädchenexperte Flix sich auch als kluger Interpret beweisen, oder ist es eher der Versuch ein einmal erfolgreiches Konzept neu aufzuwärmen?

Fangen wir ganz banal mit den Äußerlichkeiten an. Die charmante Aufmachung in Reclam-Manier passt dieses Mal noch weit besser als schon beim vorherigen Buch, was vor allem Flix‘ lockererem Strich zu danken ist.
Dieser ist zuerst auch die auffälligste Änderung gegenüber dem bisher bekannten Stil. Quadernasen, jene markanten Figuren mit denen Flix bekannt wurde, finden sich kaum noch auf den über 130 Seiten. Den einst kräftigen kantigen Strich hat er für diese Arbeit bewusst zu einem feinen, etwas verspielten, skizzenartigem Stil entwickelt; weg von klaren Formen und schlichten Tatsachen. Dass hier Manu Larcenet eine prägende Vorbildfunktion für Flix hatte, ist schwer zu übersehen.
Und wie er selbst sagt, kommt so Leben in die ruhigen Panoramen, die sein klassischer kantiger Strich zu steril hätte wirken lassen. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine Fortentwicklung von Flix eigenem Zeichenstil, sondern eher eine Erweiterung, eine erste Annäherung an den Stoff, den er sich dieses mal ausgesucht hat.

Interessant gezeichnet sind sie also, die Abenteuer des Alonso Quijano, jenem alternden Recken, der im Mecklemburgischen Tobosow den Kampf gegen einen Windpark aufnimmt. Sancho Panza wird ersetzt durch Alonsos Enkel Robin, nur echt im Batmankostüm.
So ruppig diese Änderungen auch klingen mögen, Flix ging deutlich diffiziler und wohl auch feinfühliger vor als noch bei Faust. Die ganze Geschichte, vom Strich, über die Neuarrangierung in der ostdeutschen Weite, den Panelaufbau und die schlußendliche Aussage richtet sich hier klar an der Vorlage aus. Der große Handlungsbogen hatte Vorrang vor kurzweiligen Gags. Im eher romantisch angesiedelten Faust mochten solche Gags noch funktionieren, aber hier tat Flix sichtlich gut daran sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Die vielen Änderungen, die Flix vorgenommen hat, kann man dabei erstaunlicherweise allesamt gutheißen, sofern man bereit ist einen Schritt Abstand zu nehmen und den Klassiker losgelöst von seinem Entstehungszeitraum zu betrachten.
In detaillierten Panels und weiten Panoramabildern schildert Flix die seltsame Reise des alten Alonso. Er durchlebt für den Leser Lustiges und Tragisches, meist beides zugleich. Der gern als Mädchen-Romantiker verschrieene Flix schafft tatsächlich die Gratwanderung, sowohl die (scheinbare) reale, als auch die surreale Welt des Alonso Quijano mit Freude und Schrecken zu erfüllen. Als Leser ist man nicht gezwungen sich allein mit der Hauptfigur zu identifizieren. Neben dem Enkel werden auch nach und nach andere Figuren eingeführt, und selbst wenn manche von ihnen nur wenige Panels für ihren Auftritt haben; erstaunlich viele gestalten sich dabei als glaubwürdig und für sich annehmbar, abseits ihrer reinen Funktion als Handlungsträger.

Und obgleich diese Geschichte so anders wirkt als sein „Faust“, seine „Heldentage“, „Sag was“ oder seine übrigen vorherigen Werke; auch hier geht es letztendlich um die Liebe im Herzen. So gesehen ist Flix sich dabei wieder einmal treu geblieben, hat aber sich und den Leser auf eine wunderbare Reise genommen in die raue und doch so schöne Welt, die die Liebe erst zu dem macht was sie ist.

Zwei Dinge waren Flix bei der Arbeit an diesem Buch offenbar besonders wichtig. Das eine war ganz klar seine Liebe zur Vorlage, was zu vielen kleinen detailverliebten, aber nie gezwungen wirkenden Anekdoten in den Panels führte. Das andere war die Frage, wie es Alonso Quijano wohl ergangen ist, wenn er Dinge sah, die gar nicht da waren. Wie kann man so eine Figur ernst nehmen und sie dem Leser nahe bringen ohne zum Klischeeholzhammer zu greifen?
Die Lösung, seinen Zustand mit wachsender Demenz zu erläutern, ist passend, aber vor allem mit sehr viel Liebe und Feingefühl umgesetzt. Langsam und behutsam präsentiert uns Flix immer mehr von dieser Figur, lenkt uns manches Mal sogar geschickt ab, damit wir nicht jeden Kniff schon frühzeitig erkennen. Er erfindet das Rad dabei nicht neu, zeigt aber, dass er das erzählerische Handwerk inzwischen wahrlich gemeistert hat und dennoch die Lust am spielerischen Probieren nicht verloren hat. Das ermöglicht dem Leser einen Blick auf eine Weltsicht, die immer mehr zwischen der Realität, Angst und Liebe verschwimmt. Bravo!

Nach dem schon erwähnten „Sag was“, seinem bisher prägendsten Buch über verliebte Seelen, ist  „Don Quijote“ zeichnerisch, erzählerisch und auch stilistisch Flix nächster großer Schritt gewesen.  Ob er damit zu einem der besten grafischen Erzähler geworden ist? Möglich. Definitiv handelt es sich aber um einen wichtigen Schritt in Flix‘ Lebenswerk und wird in einigen Jahren rückblickend womöglich als erstes Werk einer neuen Phase in Flix Schaffen bezeichnet werden.
Wem Flix Bücher bisher zu ‚verliebt‘ waren, der hat nun allen Grund ihm eine erneute Chance zu geben. Er kann tatsächlich anders, und es wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein.

  • Text Copyright 2013 Alexander Lachwitz
  • Cover, Artwork Copyright Carlsen Comics

 


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