Kieler Blut – Grundkurs Mord

CoverKommen wir erneut zu einer Publikation aus dem noch recht jungen Buddelfisch-Verlag.  Die Entstehung der ersten Kapitel von „Grundkurs Mord“ von Vanessa Drossel und Mareike Hansen war in den letzten Jahren schon im Animexx-Forum zu verfolgen. Nun kann man aber die ersten drei Kapitel zusammen mit reichlich Zusatzmaterial auch endlich in gedruckter Form erstehen.

Bevor wir aber in medias res gehen ein kurzer Hinweis. Nicht nur weil die Autorin und Zeichnerin des Comics hier im Blog regelmäßig meine schlimmsten Verbrechen gegen die deutsche Grammatik korrigiert, soll dies nicht als eine klassische Rezension betrachtet werden, sondern auch weil ich die Entstehung von „Grundkurs Mord“ schon länger verfolgt habe, mich gleichzeitig aber nicht als ‚Experte‘ für Comics im Bereich Manga auskenne. Daher will ich garnicht versuchen hier fundierte Vergleiche zu bringen. Auf der ersten Seite versuche ich so weit es mir gelingt eine normale Rezension abzuliefern, auf Seite zwei fange ich dann an wild rumzuschwadronieren. Sie wurden gewarnt…

Mit Grundkurs Mord präsentiert Vanessa Drossel, zusammen mit Mareike Hansen ihr aktuelles Comic-Projekt an dem sie schon mehrere Jahre arbeiten und deren Fortschreiten auf so ziemlich allen sozialen Kanälen verfolgt werden kann (neben den bekannten beispielsweise auch auf DeviantArt). Tatsächlich kann man sich fast dazu versteigen der Autorin eine gewisse Social-Media-Omnipräsenz zu unterstellen, im positiven Sinne. Ihr zeichnerischer Stil steht dabei exemplarisch für die Aufhebung jeder strikten Stil-Grenze. Die Wurzeln im Manga-Bereich sind zwar nicht zu übersehen, haben im Lauf der Jahre aber immer mehr eigenen Charakter gewonnen, so dass es inzwischen kaum noch möglich ist genaue Grenzen zu ziehen, warum es also überhaupt versuchen?
Erzählerisch bedient sich Grundkurs Mord am urtümlichsten aus der deutschen Fernsehlandschaft und macht daraus keinen Hehl. Aufmachung, Titel, Farbgestaltung und auch der Reigen an Figuren sind im Grunde eine große Mischung die vom Klassiker Großstadtrevier bis zum Tatort alles mitnimmt was im Krimi-Bereich nicht bei drei auf den Bäumen ist und eine grüne respektive inzwischen blaue Uniform trägt. Gastauftritte realer und fiktiver Bewohner Kiels sind daher keine Überraschung, nehmen den eigentlichen Protagonisten angenehmerweise nie das Heft aus der Hand und legen Zeugnis ab von der starken Heimatverbundenheit der Autorin.

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Genretypisch lebt der Krimi mehr von Dialogen und weniger von Aciton.

 

Der Stein des Anstoßes der Geschichte selbst ist ein Routineeinsatz für das Polizistenpaar bestehend aus der jungen Tanja Sievers und dem älteren Christian Henning. Ehe man es sich versieht taucht eine Leiche auf und die Kripo lässt mangels genug Personal die Polizisten als Aushilfsermittler einspringen. Für die persönliche Note sind die beiden auch privat ein Paar und damit es nicht zu langweilig wird, muss das aus Vorschriftsgründen vor den Kollegen verheimlicht werden, während privat auch noch die Ex-Frau von Christian hier und da für Unmut sorgt.
So viel ist bis hier hin klar: Wer schon bei den üblichen Polizeiserien wegen Klischeeverachtung panisch das Zimmer verlässt, der wird definitiv auch nicht mit diesem Comic warm werden. Hier wird kein grüblerischer Schwedenkrimi zelebriert und psychisch am Rand der Glaubwürdigkeit tanzenden Figuren wie Sherlock oder dem Dortmunder-Tatort-Psycho-Ermittler eine Bühne gegeben. Alles kommt vergleichsweise bodenständig und bürgerlich daher und breitet sich vor einer malerischen Kieler Kulisse aus.

Denn auch wenn man hier mit dem Rotstift auf die Jagd nach Klischees gehen kann, ändert das nichts an der einmaligen und grafisch oft bemerkenswerten Präsentation. Zum einen liegt der gesamte Comic in Farbe vor und zum anderen wird fast jedes Panel in geduldiger Fleißarbeit mit Hintergrunddetails gefüllt. Auch wenn für letzteres oft Fotovorlagen abgepaust werden; beide Dinge benötigen ihre Zeit und Sorgen dafür dass es wohl noch einige Zeit dauert bis die auf sieben Kapitel angelegte Geschichte beendet ist.

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Die Differenzierung der wichtigsten Figuren erfolgt auch über die genreüblichen persönlichen Seiten.

 

Und trotz der technischen Einmaligkeit wirkt der Comic handwerklich noch nicht Rund. Die oft hochdetailierten Hintergründe und erst recht die Autos (genaugenommen verdienen auch diese eine Erwähnung in der Besetzungsliste, gemessen am Detailgrad und der professionellen Anmutung mit der sie umgesetzt sind) sind zwar ein Augenschmaus, machen es aber auch schwer sich auf den Seiten zurechtzufinden. Man ist zuerst etwas erschlagen und bewegt sich dann nach und nach behutsam durch die Bilder, skeptisch ob man bei einem höheren Lesetempo etwas übersehen könnte. An einigen Stellen kommt es des weiteren zu Brüchen, wenn die Mimik verstärkt mangaeske Methoden nutzt um Humor oder andere emotionale Spitzen darzustellen. Diese Methoden wirken in der detaillierten Umgebung manchmal, nicht immer, wie ein Fremdkörper.
Man kann aber ruhigen Gewissens sagen, dass dies wohl schlichtweg der Preis ist den man bei einer so auffälligen Entwicklung eines eigenen Stils zahlen muss. Es dauert seine Zeit bis man alle Werkzeuge und Kniffe gänzlich ans eigene Metier angepasst hat, so dass sie sowohl für einen selbst, als auch den Leser funktionieren. Damit gehört dieser Comic zu den von mir persönlich sehr geschätzten Werken die dem Leser ermöglichen die Entwicklung eines Zeichners verfolgen zu können.

Auf der anderen Seite ist es mehr als beachtlich was sich Vanessa Drossel zeichnerisch inzwischen aufgebaut hat. Sie hat es geschafft ihren Stil mit einer sehr markanten Note zu versehen der einen hohen Widererkennungswert besitzt. Gleichzeitig ist sie sich inhaltlich treu geblieben und hat ihre persönliche Vorliebe zu Polizei, THW und den Details in deren Arbeitsweise weiter als Kernelement ihres Schaffens hochgehalten. Es wäre einfach diese Themen nur als loser Aufhänger für beliebige aber klickwirksame Publikumsmagnete zu nutzen. Entgegen aller Skepsis und Vorschläge wie sie es doch besser machen sollte, hat sie ihr Ding durchgezogen und sich damit eine kleine aber ansonsten bisher kaum beachtete Nische erobert.

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Grundkurs Mord ist einer der ganz wenigen Comics der sich auf einem eher erwachsenen Niveau mit der Arbeit der Polizei befasst und dabei oft sogar Faktenrecherche vor dramaturgischer Freiheit stellt, oft ist es ja eher umgekehrt. Man kann dem ganzen eine gewisse Sperrigkeit und ähnlich wie dem deutschen TV auch eine gewisse alltägliche Banalität unterstellen, abstreiten kann man aber nicht dass eben mit diesen Rezepten Großstadtrevier und ganze Generationen deutscher Polizei-Serien großgeworden sind. Dazu kommt der Mut und die Ausdauer eine Nische zu bearbeiten, die bisher kaum Beachtung fand. Wem dies zusagt und akzeptieren kann dass hier stellenweise immer noch ein spürbarer Lernprozess von statten geht, sollte sich den ersten Band auf jeden Fall einmal ansehen.
Als Zusatzmaterial gibt es noch zwei ältere Geschichten. Um die und einige etwas abschweifende Aspekte geht es auf der nächsten Seite.

 

Vanessa Drossel & Mareike Hansen „Grundkurs Mord“
Buddelfisch
116 Seiten
7,50€ Bei Buddelfisch bestellen 

Text Copyright 2015 Alexander Lachwitz
Cover, Artwork Copyright Vanessa Drossel & Mareike Hansen


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