Als VHS die BluRay war – Nerdology

Man macht sich heute als Webcomic-Leser oft gar nicht mehr bewusst welchen langen Weg dieses Medium inzwischen hinter sich hat. Die Anfänge waren rau, ungeübt und besaßen eine spröde aber durchaus charmante Kurzweiligkeit. Grund genug für eine kleine Zeitreise.

Mit Nerdology legt Buddelfish die gesammelten Strips des gleichnamigen Webcomics aus den Jahren 2005 bis 2007 vor. Gregor Schenkers Webcomic bietet einen Einblick in eine von vielen Communitys die sich im Lauf der Jahre im Internet gebildet haben. Vergleichbar ist das Konzept von Nerdology wohl am ehesten mit den Bender-Toons von Gunter Grimm, deren Fokus (anfangs) auf Insider-Jokes aus der Community des Videospiels Counterstrike lagen.

Bei Nerdology geht es aber um eine Community, die vermutlich noch kleiner und viel eingeschworener ist, als es die Videospiel-Community jemals gewesen ist, abgesehen vielleicht von der Zeit vor den 90ern. Genaugenommen erschien dieser Webcomic für das deutschsprachige Horrorfilm-Forum badmovies.de. Wie man dem Vorwort entnehmen kann, sollen viele Gags nur minimale Übertreibungen der Realität gewesen sein, man ahnt langsam wie der Titel der Comics entstanden ist. Denn wer anno 2005 immer noch dein Schwerpunkt auf VHS-Rekorder legte…. nun, da prallen die Nerd-Untergruppen Film-Freak und Tech-Freak aufeinander, belassen wir es daher dabei.

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Überraschend an Nerdology ist, dass es tatsächlich einen recht klaren roten Faden gibt der sich durch die meisten Strips zieht. Natürlich werden immer wieder auch mal für sich stehende Geschichten und Gags präsentiert, aber im Kern geht es um die holprige Produktion eines eigenen Horror-Streifens, von der Konzeption über die Umsetzung bis zur Präsentation und den Nachwehen. Ein vollständiger Handlungsbogen ist längst keine Selbstverständlichkeit, denn das Online-Publikum will regelmäßig unterhalten werden und ein größerer Handlungsrahmen ist dabei oft eher hinderlich statt hilfreich.

Die Qualität der Gags und Referenzen reicht von banal und direkt bis geübt und durchaus gelungen platziert. Luft nach oben ist auf jeden Fall. Mit dem Thema der Horrorfilme und der dazugehörigen Community hat sich Gregor Schenker auf jeden Fall einen Bereich gesucht, der bisher eher wenig erkundet wird, wenn man mal vom aktuelleren Survivor-Girl absieht, und gleichzeitig eine für Comics sehr passende hohe Klischeedichte bietet, kombiniert mit einer angenehmen Schmerzbefreitheit die den Fremdschämfaktor fast schon in Strombergsche Höhen rutschen lässt.

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Da es sich um eine Komplettausgabe handelt, kann man die zeichnerische Entwicklung des Autors ohne Unterbrechung beobachten, etwas das, die nötige Bereitschaft vorausgesetzt, alles andere als langweilig ist und tatsächlich gut als Exempel für viele vergleichbare Projekte steht. Wie bei den Filmfans und Machern aus dem Forum, für das der Comic einst entstand, lässt sich auch hier erkennen dass der Unterschied zwischen den Konsumenten und den Produzenten am Ende nur der Wille zur Tat ist, alles andere ergibt sich dann von selbst.
Dass solche Comics keine Preise für ihr Artwork erhalten ist selbstverständlich, aber irgendwo muss ein jeder schließlich anfangen.

Ergänzt werden die Comics kurzzeitig von Gast-Strips von Dirk M. Jürgens, dessen eigener Webcomic Opfer der Umstände für Gregor Schenker die ursprüngliche Motivation bildete. Alles zusammen bildet ein buntes, definitiv nicht massentaugliches, erzählerisch oft unverblümt schlichtes Büchlein, das vom Buddelfisch-Verlag sehr passend in ein Retro-VHS-Hardcover gekleidet wurde. Ob der schwankenden Qualität darf man sich keine Illusionen machen, doch die Vollständigkeit und das konsequente durchhalten von 100 Strips in weniger als zwei Jahren sind Fakten, die sich nicht leugnen lassen. Man schaue nur wie viele Zeichner zu Begin oder auch während ihres Webcomics immer wieder damit kämpfen ob ihrer sonstigen Verpflichtungen einen Comicstrip in gleichmäßigem Tempo zu veröffentlichen, was nun nicht unbedingt etwas mit Faulheit oder schlechtem Zeitmanagement zu tun haben muss.

In so fern hat Buddelfisch hier tatsächlich einen deftig grobkörnigen Klassiker veröffentlicht, der mit einer Dose Hansa-Pils oder ähnlichem am besten mundet.

Gregor Schenker „Nerdology‘
Buddelfisch
64 Seiten
12,50€ Bei Buddelfisch bestellen 

Text Copyright 2015 Alexander Lachwitz
Cover, Artwork Copyright Gregor Schenker & Sebastian Kempke


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