Tomb Raider – Jetzt wird’s persönlich!

Jemand hat meine Kleiderempfehlungen gelesen!!! *jubel* Nicht dass ich was gegen Tank-Top und HotPants habe, aber als Heroine hat das niemand! nötig.Heute mal eine Rezension der etwas anderen Art. Nachdem ich mich ja erst vor kurzem bei den Jungs von N Insider und schon früher hier kräftig über mangelnde Frauenfiguren in Videospielen beschwert habe, trudelte doch tatsächlich ein Testmuster vom neuen Tomb Raider ins Haus. Exakt jener Titel, der in den letzten 12 Monaten in so ziemlich jeder Debatte um Frauen in Videospielen vorkam und bei dem sich die Entwickler bis zur Schmerzgrenze bemüht hatten, uns davon zu überzeugen, diesmal sei alles anders und viel besser. Ich begrüße euch daher zur neuen Kategorie:

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Nein im Ernst, ich möchte mich in diesem Fall auf Lara, ihre Geschichte und, ganz besonders natürlich, das Frauenbild konzentrieren, wobei mir der Begriff Frauenbild jetzt schon wieder bitter aufstößt. Aber man kommt ja nicht drumrum das Kind irgendwie beim Namen zu nennen. Auf das Gameplay und sonstige Stärken und Schwächen des Titels werde ich nur eingehen, sofern sie einen relevanten Bezug zur Handlung haben. Zum Gameplay und seine Qualität nur ams Spielspaß gemessen, gibt es ja schon unzählige Rezensionen(bei Demolitionsquad gibt’s heute einen frischen Test von Altmeister Malambré mit kurzer Zweitmeinung von meiner Wenigkeit), Vergleiche mit Uncharted und mehr im Netz. Und als Tenor kann man zusammenfassen: Das Spiel ist sehr gut!

Tomb Raider von Crystal Dynamics kommt als komplettes Reboot der Reihe daher und tilgt alles, was vorher über Lara bekannt war, aus. Schon in den bisherigen Spielen gab es immer wieder Unterschiede in ihrer Vorgeschichte, erst recht wenn man die Filme dazu zählt. Da aber die Vorgänger, wie die Filme, Lara wirklich nur über Sexappeal, aka Teflon-Lara, verkauft haben, ist dieser radikale Schnitt schon mal ein guter Anfang, der von Altlasten befreit.
Lara ist gerade 21 und damit wohl nicht zufällig genau alt genug, um in so ziemlich jedem Land der Erde weder mit Alkohol, Gewalt oder Sex ein Problem zu kriegen. Daraus wollen wir den Entwicklern jetzt aber keinen Strick drehen, das wäre eine zu simple Vorlage. Wir belassen es bei einem ganz bösen Blick in Richtung Management/Marketing und spielen erst einmal weiter. Als Mitglied einer Forschergruppe erleidet Lara im Pazifik Schiffbruch auf einer Insel. Schnell sieht sie sich mit sehr finster eingestellten Inselbewohnern konfrontiert und muss nach einer ersten Hemmschwelle über Berge von Leichen gehen, ehe sie nicht nur ihre Gefährten befreit hat, sondern auch das große Mysterium der Insel löst und am Ende gereift aus alledem hervorgeht.

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Die Handlung ist in Ordnung, besitzt keinen epochalen Pathos und ist gewiss auch austauschbar, funktioniert aber und ist, trotz einiger Logiklöcher, vor allem weit genug bodenständig, um eine glaubwürdige Charakterentwicklung zu ermöglichen. Auch Laras Erscheinungsbild und Charakter kommen zu Beginn bodenständig und durchweg solide daher, ein bisschen naiv vielleicht, aber in dem Alter auch keine Besonderheit.
Erwähnter Charakter macht während des Spiels auch spürbar eine Entwicklung durch, diese schlägt sich allerdings nur im ersten Drittel merklich im Gameplay nieder und läuft danach meist nur in den Zwischensequenzen ab. Dies wäre verschmerzbar, gäbe es nicht im Laufe der Handlung eine immer breitere Kluft zwischen dem Gameplay und Laras Werdegang. Egal wie viele Menschen sie im Lauf des Spiels tötet, ihre Ängste und Sorgen ändern sich kaum, geschweige denn dass sie sich fragt, warum sie so viele Menschen töten muss. Fast hat man das Gefühl, dass die Entwickler nach der Fertigstellung des Drehbuchs und der entsprechenden Zwischensequenzen nochmal kräftig am eigentlichen Spielablauf, dem Gegneraufkommen und dem Balancing geschraubt haben.

über den Denkfehler Beschützerinstinkt

Da nicht jeder die Diskussion mitbekommen hat, hier kurz zusammengefasst, wo das Problem liegt, wenn man den Spieler über Beschützerinstinkte ansprechen will.
Gemeinhin ist unter Männern eine gewisse Schwäche für eher schwächliche, dezente Frauen vorhanden, eben das kleine Mäuschen oder scheue Reh, etwas, das ihren Beschützerinstinkt weckt.
Wenn sich diese Art von Frau dann noch sichtbar, aber vergeblich wehrt, umso besser, wird der starke Mann dann ja umso deutlicher gebraucht, da die Frau selbst sich nicht schützen kann; um es mal etwas überzeichnet zu formulieren.

Dieses Konzept ist konträr zu dem was man eigentlich erwarten könnte: Eine junge Frau, die an ihren Erlebnissen wächst, trotz Verwundung, und die begreift, dass sie zum Überleben Grenzen überschreiten muss, um am Ende an all diesen Dingen zu reifen. Dieses Konzept würde gänzlich ohne Beschützerinstinkt funktionieren, es muss dadurch nicht verwässert werden.
Zudem unterstellt man den Männern damit zugleich auch, dass sie eine Frau, die sich selbst wehren kann, nicht akzeptieren würden. Eine Freundin brachte dies perfekt auf den Punkt: „Warum kann man das nicht spielen und sich am Ende mit einer Frau freuen, die gelernt hat, zu überleben? Warum ist der Spieler nicht Begleiter der Entwicklung, sondern soll darüber stehen?“

Aber gehen wir dem Problem tiefer auf dem Grund, folgen seiner Fährte in den Dschungel von Charakterfragen, Gameplayhürden und den verschiedensten Erwartungshaltungen. Erste Frage:

Wer ist die neue Lara anfangs?

Nachdem die bisherigen Versuche, Lara glaubwürdiger zu präsentieren, alle mehr oder minder halbgar waren, kommt der radikale Reboot sehr angenehm daher. Positiv auffällig sind einige Gedanken und Kommentare, die Lara in den ersten Spielstunden von sich gibt und die das Dilemma und die kommenden Herausforderungen wunderbar pointiert auf den Punkt bringen. Nur eines der vielen Zeugnissen von der Sorgfalt mit der die Autorin Rhianna Pratchett zu Werke gegangen ist.

…„Den Wracks zufolge sind sie genau wie wir… Überlebende. Bemerkenswert!“

„Na hoffentlich werden wir nicht auch Mörder wie sie.“…

Fast das gesamte erste Drittel des Spiels wird dafür verwendet, aus dem anfänglichen verwundeten Reh Lara eine Überlebenskünstlerin mit geringer Tötungsangst zu machen und dem Spieler nach und nach die serientypischen Fähigkeiten (hauptsächlich Schießen, Klettern und Springen) beizubringen. Insgesamt ist dies die überzeugendste Phase des Spiels, die nur von zwei Mankos, von einigen Logiklücken in Überlebensfragen mal abgesehen, getrübt wird.

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Zum einen wäre da Laras fast konsequenzloser semi-dauerverwundeter Zustand. Anfangs wird sie körperlich sehr geschunden und klettert schon schwer verletzt aus der ersten Höhle. Danach wird es nur bedingt besser, woran man auch stets erinnert wird, da bei jedem größeren Sprung nicht mehr das sonst übliche Keuchen, sondern ein leicht gequältes Stöhnen erklingt. Womöglich bin ich pedantisch, aber ich habe die ersten Spielstunden vergeblich darauf gewartet, dass Lara an irgendeinem der Lager endlich mal ihre Wunden versorgt. Getreu dem modernen Gameplay, das auch auf Erste-Hilfe-Pakete verzichtet, heilt offenbar das Schlimmste mit der Zeit von selbst. Wenn man aber schon die Wundursache oft mit klarer Drastigkeit zeigt, warum dann nicht auch die andere Seite der Medaille? Verkommt hier etwa der dargestellte Schmerz und körperliche Gewalt zum Selbstzweck? Auch ihre Gefährten kümmern sich meist wenig bis gar nicht um den sichtbar geschundenen Zustand Laras. Kurzum, das Gestöhne nervt nach einer gewissen Zeit. Und nur am Rande: Nora Tschirner als Laras Synchronstimme schafft den Spagat zwischen Bockigkeit, Überlebenswillen und Lernprozess ausgesprochen gut zu transportieren.
Nach dieser Erfahrung betrachtet man das Cover des Titels, mit einer Lara, die sich eine Wunde hält, mit anderen Augen. Wird hier womöglich doch mehr verkauft als nur ein kompletter Neustart mit hohem Realismus? Mehr und mehr erinnert man sich mit Grausen an die Interviewaussagen der Entwickler, den Beschützerinstinkt im Spieler wecken zu wollen. Das permanente Stöhnen und das Ausweiden jeder Verwundung passen zu dieser verhobenen Idee sehr gut. Zum Glück geht dieses Konzept insgesamt nicht auf, dazu aber später mehr und siehe auch im Infokasten.

Zum anderen stört das schon erwähnte Auseinanderdriften von Gameplay und eigentlicher Erzählung. Werden die ersten beiden Morde an Tier und Mensch noch bemüht und halbwegs überzeugend als prägende Erfahrung vermittelt, gelingt es dem Spiel nicht, die folgenden Konfrontationen in dieses Konzept einzubinden. Entweder hätte man Lara viel früher und deutlicher sich darüber klarwerden lassen müssen, dass sie selbst zum Monster werden muss, wenn sie unter den anderen Monstern in Menschengestalt überleben muss (eine Linie, die viele Serienfans sicher verschrecken dürfte, der man aber charakterlich einen gewissen provokanten Reiz zugestehen muss), oder man hätte die Schar der Gegner reduzieren müssen. Da aber das Klettern und Springen deutlich leichter, fast schon semiautomatisch ablaufen, bleiben die Gegner die einzige echte Herausforderung im Spiel.

Zur Erinnerung: So hätte Lara Croft in den alten Titeln als Mann ausgesehen. Schön dass diese Zeiten vorbei sind, gell?

Nur zur Erinnerung: Die früheren Serienteile hatten eine fast schon sadistische Gemeinheit bei längeren Sprung- und Kletterpassagen. Erst in Crystal Dynamics Semi-Neustart mit den letzten drei Teilen wurde dies merklich entschärft. Umso mehr stellt sich die Frage, warum man dies nun noch weiter verweicht hat.

Und wo wir dabei sind. Wer glaubt die neue Lara hat sich doch gar nicht so viel verändert, der schaue sich doch mal bitte nebenstehendes Bild an. So hätte ein Lars Croft ausgesehen, wenn man ihn wie Lara Croft gestaltet hätte. Nicht dass es abseits davon nicht genug Spiele gibt die ihre (weiblichen) Figuren weiterhin mit solchen Proportionen gestalten…

Nachdem bis hierhin noch von Jammern auf hohem Niveau gesprochen werden kann, geht’s nun langsam um die Kernfrage:

Was wird aus Lara?

Nachdem der Einstieg sie durch viele Motive und Versatzstücke von „Herr der Fliegen“, „Lost“ und dem ausgesprochen guten Horror-Film „The Descent“ jagte, steht vor uns eine mehr und mehr blutüberströmte Lara, die, je nach Talentsteigerung des Spielers, beim lautlosen Töten auch durchaus mal die Axt in den Nacken des Gegners rammt. So sehr sie an den Lagerfeuern auch an ihre verschollenen Gefährten denkt, an all das Elend um sie herum; was fehlt, ist die Antwort auf die Frage was sie wirklich antreibt. Als Spieler entwickelt man zugegeben eine gewisse Euphorie, wenn man wieder einen der Gegner als überlegener Jäger aus dem Hinterhalt erschossen oder im Nahkampf brutal erledigt hat. Diese Emotionen sind zwar nicht so stark wie beim deutlich drastischeren Dead Space, aber im Konzept vergleichbar.

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Ein Lichtblick: Mit immer mehr und besseren Waffen wird Lara auch von ihren Gegnern immer mehr gefürchtet. Anfangs gab es noch Versuche sie nur zu packen oder zu fangen, aber bald schon hört man panische Rufe wie „Sie wird uns alle töten!“ oder „Die schießt verdammt gut!“ und als Spieler denkt man „Stimmt!“. Wir spielen eine Person, die mit der kalten Berechnung, die uns die Distanz durch den Montor ermöglicht, alle ihre Feinde zur Strecke bringt. Jeder Bonus durch Kopfschüsse wird zu einem kleinen Souvenir für uns.

SPOILER: über den Denkfehler Vergewaltigung bzw. sexuelle Bedrohung

Nicht wenig Wirbel gab es um die Entwickleraussage, den Beschützerinstinkt mit einer angedrohten Vergewaltigung auf die Spitze zu treiben. Zwar ist die entsprechende Szene zum einen nun deutlich entschärft, besitzt aber dennoch einen stark sexualisierten Unterton und zum anderen kann man vermuten, dass diese Entwickleraussage womöglich als kalkulierter Eklat geplant war, was das ganze noch absurder machen würde.
Was passiert aber und ist an der Grundeinstellung falsch?
Lara ist gefesselt und einem ihrer Häscher in die Hände gefallen. Er greift sie, mit möglicher sexueller Absicht. Der Spieler hat nur die Wahl sich über ein Quicktime-Event zu wehren und ihn zu töten, oder sie wird erwürgt. Würde sie stattdessen erschlagen oder erschossen, wäre die Sache halb so wild. Aber im Erwürgen spürt man immer noch die deutliche männliche Dominanz, in deren Händen das Leben der Frau liegt. Klar, der Spieler KANN darüber angesprochen werden, aber es ist alles andere als eine saubere Lösung. Erst recht, da Lara im späteren Verlauf dieses Erlebnis so gut wie gar nicht weiter erwähnt, es findet also keinerlei Verarbeitung statt.
Detailierter geht Glamgeekgirl auf dieses Thema ein. Wer bis hierhin kam, sollte ihren Blogpost definitiv lesen!

Das alles wäre an sich hinnehmbar, doch kümmern sich die eigentliche Geschichte und Entwicklung Laras um diese Aspekte so gut wie gar nicht. Nie sieht man sie zwischendurch grimmig die Waffen ziehen oder von düsteren Rachegedanken am Lagerfeuer sitzen. Warum eigentlich nicht? Wie schon erwähnt hat sich das neue TombRaider für weniger Kletter- und Sprunghürden sondern für mehr Gegner entschieden. Diese Entscheidung sollte man dann aber auch konsequent umsetzen.

Gegen Ende stürmt sie nach einem großen Massaker wütend auf ihre Gegner zu und brüllt ihre Mordlust hinaus. Leider fast zu leise aber vor allem viel zu spät. So sehr mir als Spieler an dieser Stelle auch das Herz aufging – endlich denkt sie, wie ich die Geschichte erlebe – so sehr wird es dadurch getrübt, dass dieser Ausbruch schon zur Hälfte des Spiels oder gar noch viel früher hätte kommen müssen. Ja, ein Spiel darf sich als Kulturmedium auch erlauben das Töten als ersehnten Akt darzustellen, wenn er wie hier in einen verständlichen Kontext gesetzt wurde. Lara wurde gejagt, beschossen, geschlagen, physisch fast und psyich deutlich misshandelt, wer will es ihr vergelten wenn sie Rache üben will? Natürlich ist dies keine Legitimation für Selbstjustiz, aber ein Verständniss für die Psyche. Und ein Spiel kann sich eine solche Frage erlauben und den Spieler zu eigenen Gedanken anstoßen.

Es kann sehr gut sein, dass diese Diskrepanz zwischen Gameplay und erzählter Handlung durch eine mangelnde Absprache zwischen der Autorin und den Entwicklern entstand, oder dass gar am Ende zu viel am Spielablauf geändert wurde. Ein zweiteiliges Interview mit Rhiana Pratchett bei KillScreen zeigt, dass sie sich über vieles, das hier angesprochen wird, Gedanken gemacht hat, und sich bewußt war, dass es nicht DIE eine Lösung gibt. Im übrigen ein ausgesprochen lesenswertes Interview. Ich verzichte darauf die besten Sätze von ihr zu zitieren, das würde einen eigenen Artikel ergeben.

Fakt ist aber, dass durch diese Diskrepanz eine große Menge an Atmosphäre und Glaubwürdigkeit in Bezug auf Lara leider verloren geht. Man mag darüber streiten ob Lara eine brutale Jägerin werden muss, aber dieser Weg hätte mit mehr erzählerischer Konsequenz durchgeführt werden müssen. Und dabei besitzt das Spiel sowohl in seiner Drastizität, als auch in der szeneristischen Gestaltung sehr viele Schauwerte. Es bleibt also eine agile, ausgesprochen zähe Jägerin mit einer herausragenden Begabung für verschiedenste Waffen. Nur ohne ein halbwegs glaubwürdiges Charakterbild dahinter verkommen diese Elemente zu schnell zu einem Automatismus und lassen aus Lara wieder ein stückweit mehr eine leere Hülle werden. Nicht dass Lara keinen Charakter hätte, doch es gelingt den erzählerischen Elementen nur bedingt, diese deutlich genug herauszustellen, ohne dass sie vom nächsten Gameplaymassaker nicht wieder übertönt werden. Abgesehen davon, hat das Spiel dadurch auch viel von seiner naiven Unbeschwertheit verloren, die bei den früheren Titeln noch fester Bestandteil war. Den charakterlichen Ernst und eine anerkennbare Glaubwürdigkeit hat man mit einer erhöhten Altersgrenze bei den Spielern erkauft.

Schlußendlich die letzte Frage:

Was für eine Lara verlässt mit uns das Abenteuer?

Um auf Laras eigene Frage vom Spielanfang zurückzukommen: Ja, Lara ist zur Mörderin geworden. Eine stellenweise auch durchaus brutale Mörderin. Selbst ein Motiv ist vorhanden. Aber Lara selbst nimmt diese Entwicklung so ungestört hin wie der Spieler. Letzterer spielt ja öfters Gestalten, die gerne mal diverse Kontrahenten auf diese oder jene Weise ins Jenseits befördern. Aber hier muss ich doch einmal Frau Pratchett zitieren:

„Male characters aren’t shown as being scared or vulnerable, why should female characters? Well, just because it hasn’t been done with male characters doesn’t make it wrong!“

Und sie hat recht! Damit leistet Lara so gesehen zwar Pionierarbeit, tut sich aber leider noch schwer damit, dies dem Spieler zu vermitteln. Man darf hoffen, dass im Nachfolger der narrative Komplex besser ins Gameplay eingebunden ist.

Fun Fact: Es geht auch RICHTIG schlecht

Aktuell ist Far Cry 3 mit einem ähnlichen Konzept in erzählerischer Hinsicht noch epochaler gescheitert. Gib einem unbedarften Touristen eine Waffe, und schon ist Rambo ein Puschelhässchen im Vergleich zum Spieler. Eine schöne Grundidee wurde selten so schnell in die Luft gejagt wie hier. So gesehen ist Laras Abenteuer um Welten bodenständiger und selbstkritischer.

Für die gesamte Branche muss man fair sein und zugeben, dass hier viele Schritte getan wurden in der Absicht, die Lage zu verbessern. Leider führten viele dieser Schritte im Kreis oder nur ziellos hin und her, insgesamt ist man aber doch einige Meter vorangekommen. Und das ist in einer Branche, die gegenüber echtem Fortschritt eine fast schon krankhafte Angst wegen angeblicher Kundenwünsche hat, eine echte Wohltat.

Um auf den erwähnten Beschützerinstinkt zurückzukommen: Weder bei mir, noch bei Kollegen mit denen ich gesprochen habe, hat sich ein solcher während des Spielens eingestellt. Auch wenn Laras stets verwundete Präsentation danach fast schon zu gieren scheint. Viel mehr stellte sich ein tiefes Bedürfnis nach Vergeltung ein. Nicht für Lara, sondern mit ihr. Tatsächlich hat die Identifikation mit ihr, trotz all der erwähnten Mängel, meistens sehr gut funktioniert. Damit können wir Frau Croft tatsächlich von dem Vorwurf befreien, nur ein Abziehbild oder ein Rehkitz mit großen Augen zu sein. Wir sind tatsächlich Begleiter gewesen, die mit ihr gekämpft haben, und nicht schützend die Hand über sie halten mussten. Siehe dazu auch die Info-Box oben zum Theme Vergewaltigung als Erzählmittel, leider nicht Spoilerfrei.

Fazit

Ich muss gestehen, dass ich mir immer noch keine eindeutige Meinung bilden kann. Es gab viele wunderbare Momente, vieles, das ich als Fortschritt schätze, aber auch genau so vieles, das mich irritiert oder kopfschüttelnd zurücklässt. Die neue Lara ist längst nicht so facettenlos wie viele ihrer Genrekollegen. Selbst einem Nathan Drake, der sich in seiner Karriere selbst maßgeblich von Frau Croft inspirieren ließ und lange die Messlatte definierte, hat sie nun wieder einiges voraus. Vor allem setzt sie sich mit Dingen auseinander, die sonst in Spielen nicht oft behandelt werden. Nur bleibt das Spiel dabei zu zaghaft, zu halbgar und an manchen Stellen sogar widersprüchlich. Lara schleppt quasi noch eine Menge ungebannter Dämonen und Geister mit sich herum, ganz abgesehen von den mehrfach angedeuteten Fragen über ihre Eltern. Ohne pedantisch zu sein, aber nach diesem insgesamt durchaus überzeugenden Einstieg wird der nächste Teil hoffentlich etwas mehr Selbstreflektion bringen und auch eine bessere Koordination von Spielablauf und Handlung. Der eingeschlagene Weg ist nicht perfekt, die Gewalt wohl ein Zugeständnis an den Zeitgeist, die Formel selbst geht aber auf. Ich versuche es mal mit zwei Grußworten an zwei interessante Frauen:

 – Hallo Frau Croft, schön Sie endlich etwas kennengelernt zu haben, auf persönlicher Ebene.

– An Frau Pratchett: Trotz aller Kritik und aller Mängel die sich eingeschlichen haben, gehen Sie weiter ihren Weg, unbedingt! Stürmen Sie am besten noch heute das Konzeptbüro für die Fortsetzungen und zwingen Sie die Leute zur Zusammenarbeit, von Anfang an! Go for it!!!

Zum Schluß ein herzlicher Dank an Square Enix für die Bereitstellung eines Testmusters.
Da ich kein gutes Screenshot-Händchen habe, ebenfalls ein herzliches Danke an Katie Fleming, aus deren vorbildlicher TombRaider-Fanseite ich die Screenshots entnehmen durfte.
Last but not Least ein weiterer Dank an Leander Aurel Taubner für dessen Sexy-Men-Illustration.


1 comment

  1. Lach|witz, der (e) » Still alive & Back For More! April 3, 2014 9:45 pm  Antworten

    […] werden die Comicartikel vereinzelt von Kommentarartikeln oder besonderen Rezensionen, wie dem Tomb-Raider-Artikel. Dazu kommen meine Gastauftritte auf anderen Comicseiten oder comicbezogenen Projekten (wie im […]

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