Im Rahmen seiner neuen Graphic-Novel-Reihe For Ladies Only hat Carlsen einige Ladies Nights in verschiedenen Thalia-Filialen veranstaltet. Graphic Novels für Frauen only? Nein, tut mir leid, das kann man als interessierter Leser und engagierter Schreiberling nicht so hinnehmen. Wäre doch gelacht, wenn man da nicht reinkommt…
Und tatsächlich. Carlsen und Thalia waren so freundlich madamebooks und mir noch je einen Platz zu reservieren, obgleich die Veranstaltung schon frühzeitig ausgebucht war. Ein Tarnoutfit in bester Tootsie-Marnier ist also allen Beteiligten erspart geblieben. Damit gibt’s also nun den ersten Tag-Team-Event-Bericht bei madamebooks (sie war fleißig vorbildlich und hat Freitag schon ausführlichst gebloggt)und dem Lachwitz. Ein Event, zwei Blogger, zwei Berichte, maximale Leserinformation. Soweit zumindest die Theorie. Genug der Vorrede, auf zur Praxis…
Wir landen also abends in der Hamburger Filiale und werden gleich entsprechend dem Anlass mit Prosecco oder Alkoholfreiem sowie einer Geschenktüte begrüßt. Entledigt vom schweren Wintermantel und fürs erste versorgt, wagen wir uns weiter vor.
Heute wird ja gerne alles als Event verkauft. Von Eventgastronomie bis hin zu Eventtoiletten, nichts was es nicht gibt. So sehr der erste Tisch mit diversen Süßwaren und verspielten Hausfrauenartikeln mich auch zum Schmunzeln anregte, die Reaktion der anderen Gäste zeigte: Das Konzept funktioniert. Was man mit ein wenig Schokolade und lustigen Bürstenformen alles erreichen kann. Daneben wurden gleich noch verschiedene Wohlfühlkissen und diverse weitere Accessoires angeboten, die man so pauschal erst mal nicht in einer Buchhandlung erwarten würde.
Abseits davon gab es mit einer Stylingecke und einem Photoshooting auch etwas praktischer orientierte Unterhaltungsangebote – Sex and the City lässt grüßen. Dank weiterer Getränke und diversen, alles andere als unleckeren Häppchen war für das leibliche Wohl schon mal gesorgt. Zu schade, dass die üppige Schokoladendekoration nicht auch rumgereicht wurde.
Und all das nur um Comcs vorzustellen? Nach meiner ersten Irritation und Überraschung ob der aufwändigen Aufmachung und dem reichlichen Nebenangebot, keimte in mir ein gewisser Neid.
Lassen wir mal alle Geschmacksdiskussionen ob der Farbwahl beiseite. Was haben wir hier?
- Eine Einladung zu einer geschlossenen Gesellschaft.
- Der Gästeandrang ist ordentlich aber man tritt sich nicht auf die Füße.
- Verköstigung auf hohem Niveau.
- Eine kreative Auswahl an Artikeln die den Begriff Zubehör im positiven Sinne sehr weit strecken.
- Praktische Angebote, die normalerweise nicht wenig Geld kosten würden und von denen man sowohl einige Tipps, als auch ein fertiges Ergebnis (Photos) mit nach Hause nehmen kann.
Und das ist alles NUR das Rahmenprogramm für den eigentlichen Anlass. Vielleicht bin ich ja eine Konsumhure, aber herrje…. ICH WILL AUCH!
Wo muss ich mich anmelden damit ich beim nächsten Grillkochbuch oder der Vorstellung von Jan Fedders Handbuch für Treckerreperatur teilnehmen kann? Und dann erwarte ich bitte mindestens ein vergleichbar aufwändiges Rahmenprogramm wie man es hier für die Damen aufgefahren hat! Ich muss dem Herrn Beetlebum schon zustimmen, man fühlt sich als Mann ein wenig diskriminiert.
Mir ist schon klar, dass Männer als größere Zielgruppe nicht unbedingt genau so auf solche Events reagieren wie Frauen. Auch wird es wohl schwer, in einer Buchhandlung einen Grillabend auszurichten oder einen Trecker in die Sofaecke zu stellen. Und die Veröffentlichung der Scott Pilgrim-Comics in der neuen Farbauflage wird zwar sicher viele Abnehmer finden, aber wohl selbst in Hamburg nicht unbedingt genug Leute anlocken, als dass sich der Aufwand lohnt. Aber bevor ich mich über das Für und Wider auslasse, erst mal zurück zum eigentlichen Anlass des Abends.
Die eigentliche Buchvorstellung übernahm die Schauspielerin und Primaballerina Christina Filler. In stetem Wechsel las sie einzelne Passagen aus den drei Büchern vor, die inhaltlich sehr verschiedene Themen fokussierten. Vom Selbstverkauf für die Karriere in der Mode (Paris), über diverse Anekdoten aus dem Alltag von Margaux Motin (Ich wär so gerne Ethnologin) bis zu ernüchternd bedrückenden Essproblemen (Luft und Liebe).
Wenn Filler mit beispielhafter Verve von einer Rolle in die nächste springt, sorgt das natürlich für Stilbrüche, aber es hält die Zuschauer zweifellos an der Stange. Unterhaltsam war es auf jeden Fall und machte auch Lust auf mehr.
Jetzt sollte man einige Fragen stellen. Warum liegt der Fokus so sehr auf Themen, die die Frauen größtenteils nur aus genau den Rollenbildern kennen, aus der die Emanzipation schon lange versucht sie zu befreien? Und warum kommt das Ganze in derartigen Pastelltönen und Glitteraufdruck herbei, dass es wirklich schon ein Statement ist diese Bücher in der Öffentlichkeit zu lesen?
Immerhin gibt es selbst in der deutschen Comiclandschaft nicht wenige Zeichner und Zeichnerinnen, die ihre Figuren frei von Gendervorgaben agieren lassen, ohne gleich mit dem erhobenen Zeigefinger zu mahnen.
Auf der einen Seite kann ich das Konzept verstehen. Die Kundschaft und deren Reaktion, auch in den anderen Filialen (in denen die Besucher laut Filler auch noch deutlich begeisterter waren als die eher verhaltenen aber höflichen Reaktionen in Hamburg), geben dem Konzept offenbar recht. Es funktioniert. Zwar ist es schade, dass man dazu so hart mit dem Klischeehammer zuschlagen muss, aber zuallererst muss man ja etwas verkaufen.
Dazu kommt, dass Frauen, anders als Männer, doch ein sehr optisch orientiertes Kaufverhalten besitzen, selbiges gilt für die Haptik. Und auch mir sagt das biegsame Softcovermodell der Bücher zu, dazu ein Gummibandverschluss und eingenähtes Lesezeichen. Da wurde mitgedacht! Und dass Rosa eine Signalfarbe ist, dazu muss man nichts weiter sagen.
Wenn man mit diesem kontroversen Konzept erst mal Aufmerksamkeit erregt hat, dann kann der eigentliche Inhalt zum Zuge kommen und die neugierig gemachte Kundschaft überzeugen. Haptik contra Skeptik.
Im Verlag selbst ist das Konzept interessanterweise zuerst auf Seiten der Männer auf Widerstände getroffen. Erst nach einigem Hin und Her konnten sich die Damen mit ihrem Konzept durchsetzen. Auch die Wahl der Comics selbst lief ganz Damenintern ab, frei nach dem, was sie selbst gern lesen würden.
Und keines der Bücher ist schlecht, immerhin verkaufen sich alle drei in Frankreich schon seit geraumer Zeit sehr gut. Sie hätten inhaltlich weniger rollenfixierte Themen haben können. Allerdings dürfte besonders Motin wohl auch viele männliche Fans haben, so pointiert und geschickt, wie sie ihre eigenen Marotten darlegt und unsereins auch etwas hilft am schönen Geschlecht nicht ganz so oft zu verzweifeln. Aber die Wahl der Themen war eine Geschmacksfrage der Carlsen-Damen, und über Geschmack kann man streiten. Man kann gerade Paris sowie Luft und Liebe auch nicht vorhalten, dass sie ihre jeweilige Thematik nicht stark hinterfragen und als Mahnmal dienen. Interessant wird es, wenn die Reihe fortgesetzt wird, was man nach dem bisherigen Eindruck wohl erwarten darf.
Es bleibt also lediglich die Frage, ob man wirklich so sehr die Rosarotklischees bedienen muss, selbst wenn es nur äußerlich stattfindet. Fairerweise muss man sagen, dass das Konzept der Veranstaltung aus weit mehr bestand. Die Präsentation der Inhalte, die Pausen und die Gelegenheiten zum Schmökern und Quatschen, sowohl mit anderen Kunden als auch Verlagspersonal, das war quasi wie aus dem Lehrbuch für eine gute und informative Präsentation, ohne dabei dröge zu wirken. Eine Sitzgelegenheit hätte aber, zumindest für die Pausen, definitiv nicht geschadet.
Natürlich spricht man mit dem Konzept auch sehr stark die Brigitte-Leserschaft an. Aber, so wurde uns erklärt, genau das ist auch erwünscht, da dies immer noch ein gewaltiger Markt ist. Und hat man erst einmal den Fuß in der Tür, dann kann man auch nach und nach andere Themen bringen. Hier verhält es sich wohl ähnlich wie mit dem Begriff der Graphic Novel, ohne den Comics in Deutschland wohl erst viel später vom Feuilleton akzeptiert worden wären. Der Mensch ist halt leider doch ein Augentier…
Dementsprechend fand sich auf dem Flyer der Veranstaltung auch nirgends das Wort Comic oder Graphic Novel. Von einer Lesung mit Bildern war da bloß die Rede, und fast ebenso groß wurde das Rahmenprogramm aufgelistet, damit auch ja keine Gelegenheit bestand, dass sich im Hinterkopf eine Assoziation zu Comics bilden könnte. Einerseits natürlich ein sehr cleverer Schachzug, andererseits zeigt er auch, wie viel Abschreckungspotenzial im Begriff Comic offenbar doch noch steckt.
Abschließend kann man wohl sagen: Ob Comics auf diese Weise verkauft werden sollen, darüber kann man sicherlich streiten. Unzweifelhaft funktioniert das Konzept aber und persönlich muss ich vor einigen der Ideen, die dabei zu sehen waren, ganz klar den Hut ziehen. Auch ich will als Konsument gerne mal kreativer umworben werden, anstatt, dass mir nur das nächste Unterwäschemodell versucht ein Handy anzudrehen, oder dass Catwoman sich auf dem neuesten Heft wieder in fast schon physisch unmöglichen Posen räkelt. Jetzt fehlt nur noch der entstehende Diskurs unter der (hoffentlich) neu erschlossenen Zielgruppe. Denn zumindest die Besucherinnen in Hamburg, von denen viele mit Comics bisher wenig zu tun hatten, waren auf das Präsentierte sehr neugierig und werden das nächste Mal vielleicht doch auch einen zweiten Blick riskieren, selbst wenn das Cover mal nicht rosa ist.
Und auch wenn unsereins sich nun beschweren mag. Abseits der noch offenen Methodenfrage, sollte man sich doch freuen, wenn wir uns in Zukunft auch mit mehr Damenvolk über Comics unterhalten können, ohne gleich schief angesehen zu werden. Solange wir nicht bloß hören „Ach, sie lesen auch diese niedlichen rosa Bändchen?“
Aktuell höre ich leider vereinzelt Berichte, dass die Cover und auch die integrierten Gummibandverschlüsse unter extremen Verschleisserscheinungen leiden. Carlsen ist die Problematik wohl schon bekannt. Man darf auf eine schnelle Nachbesserung hoffen, da das sonst ein gewaltiger Fauxpass wäre, der die Glaubwürdigkeit dieser, an sich guten, Ideen arg untergraben würde. Also vor dem Kauf, besser nachfragen ob das vorliegende Buch schon aus einer ausgebesserten Auflage stammt.
Nochmals ein herzliches „Danke“ an madamebooks, die mich ohne Murren als Gastmann mitgenommen hat, und natürlich an die Damen von Carlsen und Thalia für diesen interessanten Abend.
- Text Copyright 2012 Alexander Lachwitz
- Bilder Copyright madamebooks & Carlsen
- Ladies Edition bei Carlsen
- Ich wär‘ so gerne Ethnologin…
- ISBN 978-3-551-72507-3
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- Paris
- ISBN 978-3551728951
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- Luft und Liebe
- ISBN 978-3551728968
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Es ist das alte Marketing-Problem. Egal wie viele Frauen wir alle kennen, die nicht darauf reinfallen und sich sogar zu recht drüber ärgern, wenn Du Frauen als Zielgruppe ansprechen willst, musst Du Pastellfarben draufklatschen und es am besten noch herzchenförmig machen. (Ich habe auch schon überlegt, einen rosa Conny-Van-Ehlsing-Band herauszubringen, einfach aus Trotz. Vielleicht irgendwann als POD…)
Die Idee, Bücher so zu verkaufen, kommt vom Prosa-Marketing (nein, nicht Prosecco-Marketing, auch wenn man’s meinen könnte). Die wunderbare YA-Autorin Maureen Johnson regt sich gelegentlich bei Twitter sehr bidreich darüber auf, dass Autorinnen, einfach weil sie Autorinnen sind, als „Chick Lit“ abgestempelt werden, während Männer ungestraft Bücher an beide Geschlechter verkaufen können, statt dass ihre Bücher mit braunem Echtholzcover und Schmierölgeruch in Werkzeugläden präsentiert werden, egal wovon sie handeln. Hab‘ mal kurz in ihrem Blog nach dem Thema gesucht:
http://www.maureenjohnsonbooks.com/2009/05/15/i-am-chick-lit-2/
http://www.maureenjohnsonbooks.com/2010/09/22/sell-the-girls/
Letztlich richtet sich dieses Marketing nicht an potenzielle Comicleseriinnen, sondern an die Sex-and-the-City-Klientel, denen hier einfach ein weiteres Lifestyle-Produkt angeboten werden soll. Was das Produkt ist, ist im Grunde egal. Schade nur für die Autorinnen der Comics, die, wenn ich’s richtig verstehe, eigentlich für ein breiteres Publikum schreiben.
Stimme dir voll und ganz zu Max. Ich weiß auch jetzt noch immer nicht was ich davon halten soll. Einerseits fand ich es toll, wie entspannt das Publikum das Thema aufnahm, andererseits tat es mir weh, zu sehen wie sehr sich der Comic erst verkleiden muss.
Der Comic muss sich verstellen und die hier betroffene breite Masse der Leserinnen ist nur zu bereit sich vom Prosa-Marketing einlullen zu lassen.
Ich glaube aber, genau damit erschließt man leider ein ziemlich breites Publikum. Wenn ich so daran denke was ich vereinzelt von Verlagen zu ihren Strategien für Graphic Novells höre, läufts da nicht viel anders. Es wird verstellt und mit allen Mitteln verheimlicht, dass es einfach nur Comics sind.