Klassiker: Sarah Burrini – Von Pilzen und Schokodrogen

derLachwitz
Wenn man jetzt als ersten prägnanten Punkt in deiner Karriere den Beginn deines Webcomics betrachtet und als zweiten nun dein Buch; was wäre der nächste Schritt, den du anstrebst? Läuft diesbezüglich noch das Projekt ‚Lightning‘, welches du mit deiner Cousine angefangen hast?

Sarah Burrini
Ich würde sehr gerne einen längeren Comic machen, gar nicht mal unbedingt mit dem Ponyhof. Natürlich würde ich auch gerne ein zweites Buch mit dem Ponyhof machen und längere Geschichten damit erzählen. Aber ich möchte eben auch halt einen langen Comic machen, sei es eine Graphic Novel oder etwas anderes. Ich würde gern noch vieles ausprobieren. Es würde mir auch vollkommen reichen, wenn ich etwas als Zeichner umsetzen kann, ich muss es gar nicht mal selber schreiben.

‚Lightning’ zum Beispiel wurde von meiner Cousine geschrieben, und auch das Konzept hat sie selbst entwickelt. Ich zeichne da nun die ersten 40 Seiten und bin mittlerweile bei Seite 11. Der Ponyhof hat mich da ein bisschen von abgehalten. Es soll ein 80-Seitiger-Comic werden, wobei die zweiten 40 Seiten jemand anderes zeichnen soll. Und das ist schon eine Sache, die für mich wichtig war, weil der Zeichenstil ein komplett anderer ist und ich da im Moment viel lerne was semirealistisches Zeichnen angeht. Ich muss halt nicht immer Cartoons bzw. Cartoonmäßig zeichnen.

Das, was man zuletzt sehen konnte, ist schon recht lange her, also für mich vom Zeichnen. Zudem war damals das Skript noch nicht fertig, bzw. es gab einige Änderungen, so dass die letzten Szenen, die man sah so nun auch gar nicht mehr in der Handlung vorkommen.

Das komplette Buch wird jetzt auch nicht mehr farbig, sondern schwarzweiß sein. Das heißt, ich werde da keine Chance haben mit irgendwelchen Texturen oder so etwas zu vertuschen, was für mich aber auch gut ist, weil ich dadurch so viel mehr lerne. Das ist gerade für mich so ein Erleuchtungsprozess, wo ich auch feststelle, dass mir manche Dinge nicht so unmöglich vorkommen, wie ich das dachte und es einfach auch Spaß macht einen neuen Stil auszuprobieren. Man muss halt viel Zeichnen um lockerer da drin zu werden.

derLachwitz
Viele Autoren berichten immer wieder von den Problemen, die sie mit ihren Figuren haben, wenn diese eine Eigendynamik entwickeln und der Autor die Kontrolle verliert. Ist es dir auch schon passiert, dass sich in deinen Storys die Figuren so verselbstständigt haben, dass du gar nicht mehr weißt wie du die Handlung zu einem Ende führen kannst?

Sarah Burrini
Eigentlich ist das nur so (lacht). Entgegen dem, was viele glauben, habe ich kein großes Konzept, wenn ich eine Storyline beginne. Wenn ich anfange, ist es mir schon wichtig, dass ich Anfang und Ende ungefähr habe, was aber auch nicht bedeutet, dass das Ende sich nicht doch noch mal komplett wandeln kann, weil ich dachte ‚Hey, das ist eine bessere Idee‘.

Es ist mir wichtig, dass ich weiß wohin es geht, aber alles andere dazwischen machen die Figuren selbst. Das klingt jetzt so ein bisschen geisteskrank, aber es ist halt wirklich so; der einzige Ort, wo ich mir die Ideen ausdenke, ist nachts im Bett. Wenn ich dann halt die Augen zumache fängt der Pilz an zu reden. Das ist dann halt so, dass die Figuren für mich so eigenständig sind, dass die halt alle auch dementsprechend reagieren, ihrem Charakter gemäß. Ich denk mir da jetzt nicht ‚Wie würde Ngumbe reagieren?‘ sondern im meinem Kopf entwickelt sich das dann. Ich weiß nicht wieso das so ist, ich hatte früher als Kind auch einen imaginären Freund, einen Vogel. Mit dem habe ich dann auch Comicgeschichten gemacht, aber den habe ich dann den ganzen Tag über begleitet. Das war ein eigenständiges kleines Wesen, das seine Eigendynamik hatte. Irgendwie ist das bis heute so geblieben.

Man kann auch sehr rational an die Sache herangehen. ‚Gut, ich baue jetzt einen Charakter, ich überlege mir: Wie kann der sein, welche Kindheit hat der gehabt’. So was habe im Drehbuchkurs auch gelernt; wie reagiert jemand, der psychologisch so gebaut ist und jene Kindheit hatte? Wie würde der jetzt diese Geschichte lenken mit seinem Verhalten?

Ich finde es wichtig so etwas im Kopf zu haben, aber wenn du auf diese Art konstruierst, bedeutet das, dass du nicht so richtig in deinen Figuren drin bist. Dann wird’s auch ein bisschen konstruiert, anstrengend und gezwungen wirken. Ich versuche aber auch nichts zu erzählen, von dem ich keine Ahnung habe. Die kompletten Figuren kann man wohl so sehen wie beim Zauberer von Oz, dass die ganzen Figuren, die da drin vorkommen, auch einen Aspekt von mir beinhalten.

Ngumbe ist da vielleicht meine exzentrische Künstlerseite, Butterblume ist da mehr so, von der Mafiageschichte mal abgesehen, der in sich Ruhende und der Pilz ist dann der, der auf Partys ausrastet. Ich kann jetzt hier keinen Holocaustüberlebenden schildern der den zweiten Weltkrieg durchlitten hat. Ich kann schlicht nichts erzählen, von dem ich keine Ahnung habe, da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.


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